Bannerbild | zur StartseiteBannerbild | zur StartseiteEin Rapsfeld im Vordergrund lässt Wiesenbach etwas verschwinden. | zur StartseiteBannerbild | zur Startseite
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Ein Blick in die Ortsgeschichte

von Dr. Günther Wüst

 

Die Wiesenbacher Gemarkung (1113 ha) ist ein geschichtsträchtiger Boden. In der Nachbargemeinde Mauer befindet sich die Fundstelle des berühmten „homo heidelbergensis“. Auch die Römer waren hier schon ansässig. Im Jahre 1969 fand man zwei römische Siedlungen: die eine nach der Entdeckung einer römischen Brunnenanlage im „Herrenwald“ (nördlich von Wiesenbach), die andere im Ort selbst, unmittelbar östlich der evangelischen Kirche. Beide Siedlungen, wohl um die Mitte des 2. Jahrhunderts entstanden, erfüllten als landwirtschaftliche Gutshöfe (villae rusticae) unweit einer römischen Heerstraße, die von Heidelberg-Neuenheim über Wiesenbach nach Aglasterhausen führte und östlich des Neckars die römische Reichsgrenze erreichte, sicherlich auch militärische Aufgaben. Mit dem Einfall der Alemannen im Jahre 260 gaben die Römer ihre Güter diesseits des Rheins auf.

 

Zur Zeit der fränkischen Landnahme (seit 500 n. Chr.) entstanden im unteren Elsenztal zuerst Meckesheim und der Bammentaler Ortsteil Reilsheim. Auf der Reilsheimer Urgemarkung entwickelten sich dann Siedlungen wie Bammental, Gauangelloch, Wiesenbach und Neckargemünd. Wiesenbach ist erstmals in einer kurz vor der Mitte des 12. Jahrhunderts geschriebenen Urkunde erwähnt, aber seine Existenz darf schon für das frühere Mittelalter als erwiesen gelten. Im Jahre 1964 wurde bei Grabarbeiten in der Nähe der beiden Ortskirchen das Bruchstück einer Grabplatte freigelegt, deren lateinische Inschrift ins 9. Jahrhundert deutet und auf einen frühmittelalterlichen Adelshof in Wiesenbach schließen läßt. Er befand sich später nachweislich im Besitz der Grafen von Lauffen. Aber nicht nur unter dem „Schloßberg“ bei der evangelischen und katholischen Kirche sondern auch südöstlich Wiesenbachs, über dem steil zum Biddersbach abfallenden Hang des „Kühbergs“ bei den Gewannen „Burgstadel“ und „Altes Schloß“, erhob sich einst eine ihrer Burgen. Wie sie aussah, wann sie entstand und wie sie wieder verging, wissen wir nicht. Bereits im Jahr 1870 hat der damalige Bezirksförster Schabinger den hier abgebildeten Stein gefunden und an den Konservator der großherzoglichen Altertumshalle in Karlsruhe übergeben. Dieser Stein befindet sich heute im Badischen Landesmuseum in Karslruhe.

 

Stein Bild 1

Stein Bild 2

 

1936 stieß hier das Vermessungsamt Heidelberg beim Vermarken des Geländes beim Kühberg auf hochmittelalterliche Spuren. Es wurden zwei Staufische Kapitelle gefunden, die ebenfalls von einer Burg stammen müssten. Sie befinden sich im Heimatmuseum in Wiesenbach.

Staufische Kapitelle

 

Als Lehensleute des Wormser Bischofs, der um das Jahr 1000 im Namen des Kaisers auch das untere Neckartal beherrschte, walteten die Grafen von Lauffen von Wiesenbach aus über die Orte im näheren Umkreis. Ihr Herrschaftsbereich war wohl im wesentlichen identisch mit dem in kurpfälzischer Zeit faßbaren Verwaltungs- und Hochgerichtsbezirk der Meckesheimer (bzw. Neckargemünder) Zent. Auf der Höhe südlich von Wiesenbach stand auch, als Zeichen der Hochgerichtsbarkeit, der Galgen. Aber um das Jahr 1140 überließen die Lauffener Grafen ihren Wiesenbacher Besitz der Benediktinerabtei Ellwangen und verlegten ihren Sitz auf den Dilsberg. Die Dilsberger Burg ist allerdings erst 1208 erstmals urkundlich erwähnt. Um 1330 gelangte die Dilsberger Herrschaft dann an die Pfalzgrafen von Heidelberg, der ihr Dilsberger Amt bis zum Ende der Pfalz und der Entstehung des Landes Baden (1806) nicht wieder herausgaben.

 

Schon bald nach der Lauffener Schenkung an die Abtei Ellwangen entstand in Wiesenbach ein Kloster, das zum Sitz einer Probstei und zur Verwaltungszentrale für den ellwangischen Streubesitz (im unteren Neckarland) erhoben wurde. Anläßlich des Erweiterungsbaus der katholischen Kirche konnte das Landesdenkmalamt in jüngster Vergangenheit durch Grabungen die Maße der hochmittelalterlichen Klosterkirche feststellen. Das in der Nähe der eigentlichen Pfarrkirche zu Ehren des hl. Georg errichtete „Münster“, eine dreischiffige Basilika, war beachtliche 41 m lang und 15 m breit, im Westen von zwei stattlichen Türmen bewehrt und verfügte im Osten unter dem Chorraum über eine Krypta. Ihren Dimensionen und ihrer überörtlichen Bedeutung entsprach auch der klösterliche Besitz in den Nachbargemarkungen. Es waren im wesentlichen Mühlen und Gutshöfe mit ihren Wirtschaftsflächen. Sie lagen in Bammental, Neckargemünd, Mauer, Meckesheim, Langenzell, Dilsberg, Waldwimmersbach, Lobenfeld, Spechbach, Eschelbronn und Zuzenhausen, aber auch – als letztes Erbe der ursprünglich in Schriesheim eingerichteten ellwangischen Verwaltung – in Nußloch.

 

Die klösterliche Grundherrschaft von Wiesenbach dokumentiert sich in einem Kammergericht, dem die Schultheißen der umliegenden Orte angehörten und das unter dem Vorsitz des Wiesenbacher Ortsschultheißen jährlich sechsmal tagte. Es sah seine Hauptaufgabe – zumindest im Spätmittelalter – vor allem in der Eintreibung ausstehender Grundzinsen. Die Zahl der Mönche im Wiesenbacher Kloster war stets bescheiden, ebenso der Ertrag der Klostergüter. Im Jahre 1482 gingen die Ellwangischen Besitzungen in Wiesenbach infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf das Kloster Schönau über. Um 1560 wurde es dann im Zuge der Reformation aufgelöst. Die Wiesenbacher Probstei wurde jetzt in der Geistlichen Administration der pfälzischen Verwaltung für eingezogenen Kirchenbesitz mit den Lobenfelder Klostergütern zur „Schaffnei Lobenfeld“ vereinigt. Bei der Teilung der pfälzischen Kirchengüter 1801 fiel die Gütermasse der Schaffnei Lobenfeld – anders als die ehemaligen Schönauer Klostergüter – den Katholiken zu. 1884 wurden die Lobenfelder Schaffneigüter mit der Schaffnei Heidelberg zur „Pfälzer Katholische Kirchenschaffnei“ zusammengeschlossen. Ihr gehören noch heute in der Wiesenbacher Gemarkung 154 ha (meist Wald). Dies bedeutet aber zugleich, daß sich der einst ellwangische Besitz in Wiesenbach heute zum größten Teil in Privathand befindet. Der Prozeß des Übergangs erstreckte sich über eine längere Zeit. Schon 1556 kaufte beispielsweise der damalige Wiesenbacher Schultheiß das klösterliche Fronhofgebäude auf, das seit alters an den Ortsschultheißen verpachtet war. Aber erst die Einteilung der klösterlichen Feldgüter im Jahre 1789 in zwanzig Lose war für die Entwicklung des bäuerlichen Grundbesitzes in Wiesenbach von entscheidender Bedeutung. Bald nach der Realteilung des Kirchenvermögens in der Pfalz 1801 folgte die Ablösung der Grundzinse. Sie erstreckte sich bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und bescherte den Wiesenbacher Bauern erstmals Eigenbesitz in größerem Umfang.

 

Die Wiesenbacher Bevölkerung, die zum Ende der klösterlichen Zeit mehr als hundert Personen zählte, blieb bis ins vergangene Jahrhundert trotz ihres deutlichen Wachstums zahlenmäßig recht klein. Im Jahre 1900 hatte der Ort erst 710 Einwohner aufzuweisen. Erst jetzt begann man die beiden alten Wiesenbacher Ortsteile Ober- und Unterwiesenbach baulich miteinander zu verbinden. Hatte sich einst Oberwiesenbach mit dem „Vorstädtl“ im Anschluß an das Kloster entwickelt, so war Unterwiesenbach etliche hundert Meter abwärts im Anschluß an eine mittelalterliche Mühle und einen herrschaftlichen Schafhof entstanden. Wie die Gehöfte im Oberdorf, so orientierten sich die Höfe in Unterwiesenbach entlang der alten pfälzischen Geleitstraße (Poststraße). An ihr errichtete man die Gasthäuser und (im 19. Jahrhundert) das Wachthaus und das badische Forsthaus. 1817 entstand mit dem „Badischen Hof“ am Ortsausgang nach Neckargemünd eine Poststation. In der Poststraße stand auch die Wiesenbacher Ziegelei. Als Goethe 1797 auf seiner Reise in die Schweiz durch Wiesenbach kam, notierte er: „Wiesenbach, sauberes Dorf, alles mit Ziegeln gedeckt. Die Männer tragen blaue Röcke und mit gewirkten Blumen gezierte weiße Westen“.

 

Mit dem Bau des neuen Schul- und Rathauses schuf man zu Beginn unseres Jahrhunderts (1901/02) einen markanten Ortsmittelpunkt. Langsam wuchs jetzt der langgestreckte Ortsetter zusammen. Ein ortsgeschichtlich bedeutsames Ereignis zwischen den Weltkriegen war die Eingemeindung von Langenzell 1925. Der 2 km östlich von Wiesenbach gelegene Ort Langenzell war einst ein selbstständiges Dorf und hatte einen Schultheißen, aber es starb während des Dreißigjährigen Krieges (1636) aus, wurde später vom Kurfürsten an den Grafen Robert Leslie als Lehen ausgegeben, nach dem Scheitern der Rekultivierung 1686 französischen Glaubensflüchtlingen aus der Dauphiné überlassen und kam schließlich im 18. Jahrhundert an die pfälzischen Diensten stehende Familie von Wrede, die es verstand, hier Ackerbau und Viehzucht mustergültig zu entwickeln. 1840 ging Langenzell an den Grafen Wilhelm von Reichenbach-Lessonitz, 1880 an Prinz Alfred zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg über. Im Besitz dieser Familie, die in einer großen Parkanlage ein neues Schloß errichtete, befindet sich Langenzell noch heute.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Wiesenbach seinen Charakter als bäuerliches Straßendorf mehr und mehr verloren, vor allem seit der zügigen Baulanderschließung im Anschluß an das Vorstädtel und der nördlichen Ortserweiterung entlang der Panoramastraße, die auch den Bau eines neuen Volksschulgebäudes bescherte (1963/ 67). Auch im Westen wurde der Wiesenbacher Ortsetter wesentlich erweitert. Unter den Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises hat Wiesenbach seit Kriegsende eine beachtliche Expansion vorzuweisen: Die Einwohnerzahl (heute über 3000) hat sich mehr als verdreifacht, die bebaute Wohnfläche mehr als vervierfacht.

 

Was Wiesenbach als Wohngemeinde empfiehlt, ist vor allem seine landschaftlich reizvolle Lage zwischen dem Odenwald und dem Kraichgauer Hügelland und die durch günstige Verkehrswege gewährleistete schnelle Erreichbarkeit der Großstädte. Wichtige kommunale Versorgungseinrichtungen sind vorhanden. Das Freizeitangebot läßt kaum Wünsche offen.

 

Bei der Gemeindereform der siebziger Jahre hat Wiesenbach seine Selbständigkeit wahren können. Es bildet zusammen mit Neckargemünd, Bammental und Gaiberg einen Gemeindeverwaltungsverband. Überörtliche Kooperation gibt es jedoch schon seit den sechziger Jahren: Mit dem Beitritt zum Wasserzweckverband „Unteres Elsenztal“ sicherte Wiesenbach seine Wasserversorgung mit dem Anschluß an den Abwasserzweckverband „Im Hollmuth“ den Bau einer Gemeinschaftskläranlage auf Bammentaler Gemarkung.

 

Im Jahre 1996 wurde der Zweckverband Hochwasserschutz Einzugsbereich Elsenz-Schwarzbach gegründet, dem die Gemeinde Wiesenbach beigetreten ist. Dieser Verband baut auch das Hochwasserrückhaltebecken am Ortseingang mit einem Rückhaltevolumen von 85.000 m3.

 

Größere Industriebetriebe fehlen in Wiesenbach. So sind die meisten Wiesenbacher Auspendler und verdienen ihren Lebensunterhalt in den Städten. Immerhin gibt es in Wiesenbach mehr als hundert Gewerbebetriebe mit etwa zweihundert Beschäftigten. Die Zahl der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe (1960 noch 27) ist mehr und mehr zurückgegangen.

 

Verfaßt von Herrn Dr. Günther Wüst